Hans Utz
Die Unterrichtseinheit widmet sich einem traditionellen Thema des Geschichtsunterrichts – aber mit einer neuen Fragestellung.
Worin unterschieden sich die Menschen des Hochmittelalters noch von uns? Sie glaubten an ein Leben nach dem Tod, das durch ihr Verhalten vor dem Tod bestimmt wurde. Diesen Gedanken können Schülerinnen und Schüler heute, ausser sie wachsen in einem religiösen Milieu auf, nicht mehr nachvollziehen. Die Themeneinheit versucht ihn ihnen mit einem Beispiel nahezubringen. Die damit verbundene Angst exemplifizieren wir am Beispiel des noch jungen unbekannten Martin Luther.
An vier bekannten und unbekannten Personen aus der Nordschweiz gewinnen die Schülerinnen und Schüler in Einzel- und Gruppenarbeit Erkenntnisse über das Leben damals und die Haltung der Menschen zu ihrem Leben. In einem Gruppenpuzzle tauschen sie die Erkenntnisse aus. Zum Abschluss zieht die Klasse unter Ihrer Leitung wieder die Verbindung zur «grossen» Geschichte.
Der schwindende Glauben an die Möglichkeit, sich das Paradies im Diesseits sichern zu können, führte dazu, dass die Europäerinnen und Europäer sich mehr dem Leben im Diesseits zuwandten. Die Themeneinheit «Auf dem Weg zu einem neuen Menschenbild» zeigt an einigen Einblicken in die Medizin, wie das Denken den Glauben als lebensbestimmende Kraft konkurrenzierte.
Ein Ausblick auf die Zukunft der europäischen Entwicklung soll die Verbindung zur Gegenwart schaffen. Dieses Kapitel 4 eignet sich vor allem für leistungsstarke Klassen.
Sich in Menschen aus der Zeit von vor über 500 Jahren hineinzuversetzen ist schwierig, aber absolut notwendig, wenn man den Wechsel des Lebens in der europäischen Kultur verstehen will. Denn es geht nicht nur darum zu erfassen, dass die Menschen gläubiger und frömmer waren, sondern vor allem, dass diese Religiosität ihr ganzes Leben und auch ihre Lebensauffassung beeinflusste.
Die Themeneinheit versucht mit ganz kleinen Schritten bei der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen, ohne vorerst die Geschichte als Vergangenheit einzubeziehen. Eine Zusammenarbeit mit dem allfälligen Religionsunterricht kann den Einstieg vielleicht erleichtern. Es geht darum, dass die Schülerinnen und Schüler erkennen, wie sich Diesseits und Jenseits im Mittelalter und heute zueinander verhielten: Im Mittelalter richteten sich die Menschen auf das Jenseits aus, heute (im Allgemeinen) auf das Diesseits.Martin Luther wird gleichsam nur als besonders gut dokumentiertes Beispiel für diese Suche nach Gewissheit über das Jenseits eingeführt. Erst die zweite Themeneinheit wird sich mit der Reformation befassen.
Kapitel 1: Lebensplan
Die Schülerinnen und Schüler vergleichen in Einzelarbeit ihren eigenen, auf die Zukunft ausgerichteten Lebensplan mit demjenigen eines Menschen am Ende des Mittelalters. Sie erkennen ein Stück weit, warum die Menschen damals das Leben nicht so wichtig nahmen wie das Jenseits.
Kapitel 2: Sühneleistungen
Der etwas weitergeführte Vergleich versucht zu erklären, warum die Menschen ihr Leben nach dem Tod möglichst gut zu gestalten versuchten. Er setzt sich mit den Sühneleistungen Reue, Wiedergutmachung und Busse und mit der Bedeutung des Fegefeuers auseinander.
Kapitel 3: Glaubenskonflikt
Eine Erzählung der Lehrperson informiert die Schülerinnen und Schüler über Martin Luthers Kindheit und seinen Glaubenskonflikt. Dieser Glaubenskonflikt zeigt möglichst lebensnahe, wie sich der Glaube an Gottes unumschränkte Allmacht und das persönliche Streben nach Sicherheit bezüglich des Lebens nach dem Tod in die Quere kamen.
Kapitel 4: Jenseits
Wieder mit einem Arbeitsblatt entwickeln die Schülerinnen und Schüler eine Vorstellung darüber, wie es sich auf das diesseitige Leben auswirkt, wenn man sich über das jenseitige nicht mehr so ganz sicher ist.
Nach der eher «theoretischen» Themeneinheit 12.1 zur Bedeutung der Religion im Spätmittelalter wird die Umbruchszeit der Reformation vorerst an vier Personen thematisiert. Die Schülerinnen und Schüler sollen an ihrem Beispiel gewissermassen erleben, wie diese Menschen den Wandel miterlebten und mitgestalteten: Huldrych Zwingli steht für die Reformation, Wibrandis Rosenblatt für die Verbindung unter der Reformatoren und wie Gret Fröhlicher für die Situation der Frauen; Stephan Stör ist ein historisch zwar nicht bedeutsamer, aber regional verankerter Repräsentant der Unruhen unter den Untertanen und damit der Tendenz, die Reformation auf weltlicher Ebene durchzusetzen.
Nach der klassenplenums-lastigen letzten ist diese Themeneinheit als Gruppenpuzzle aufgebaut. Eine Anleitung dazu findet sich als separate Vorlage, die natürlich angepasst werden kann. Es empfiehlt sich, nach dem ersten und dem zweiten Kapitel eine Möglichkeit zu schaffen, die Ergebnisse der Gruppenarbeit zu kontrollieren und verbessern zu lassen, bevor die Schülerinnen und Schüler weiterfahren.
Im vierten Kapitel dieser Themeneinheit greifen Sie die Ergebnisse zu einem allgemeinen Überblick über die Gesellschaft der frühen Neuzeit wieder auf. Dabei knüpfen Sie an den im Gruppenpuzzle erarbeiteten Detailkenntnissen an.Mit der Biografie Joachim Vadians steht noch ein zusätzliches Kapitel zur Verfügung, das vom Aufbau her allerdings nicht in die Gruppenarbeit der vier vorangehenden eingebettet ist.
Kapitel 1: Biografien
Die Schülerinnen und Schüler lernen zuerst in Einzelarbeit das Leben von vier Personen kennen, lösen zuerst in Einzelarbeit Fragen zum Text und vergleichen dann in den vier Gruppen ihre Antworten zu den verschiedenen Biografien.
Kapitel 2: Zusammenstellung
Dann setzen sich die Schülerinnen und Schüler in neuen Vierergruppen zusammen, in welchen jeder der vier Personen vertreten sein soll. Ergebnis ist eine Zusammenstellung der Informationen, festgehalten auf einem Arbeitsblatt (Datenblatt), das eine Gesamtsicht ermöglicht
Kapitel 3: Fragen
Nach der Kontrolle der Ergebnisse der Gruppenarbeit in Kapitel 2 machen sich die Schülerinnen und Schüler noch in der gleichen Gruppenzusammensetzung an schwierigere Fragen. Diese können sie auch arbeitsteilig beantworten und die Resultate der Klasse vorsetzen.
Kapitel 4: Betrachtung
Von den vier Einzelpersonen treten wir zurück zu einer Information aus grösserer Distanz, die Sie als Arbeitsblatt selbstständig bearbeiten lassen, im Unterrichtsgespräch vermitteln oder als Hefteintrag diktieren können. Leistungsfähige Klassen könnten die Informationen auch in den ursprünglichen vier Gruppen einander vortragen
Kapitel 5: Vadian
Am Beispiel von Joachim Vadian können leistungsstarke oder rasche Schülerinnen und Schüler einen Reformator erleben, der sich gleichzeitig ein neues Weltbild verschaffte.
Die Themeneinheit basiert auf den eher theoretischen Überlegungen der 1 und den stark historischen der Themeneinheit 2 und versucht sie zu verbinden. Sie geht aus von der heutigen Vielfalt der Glaubensformen und steigt dann zurück, um zu zeigen, wie sich das religiös geprägte Menschenbild im 16. Jahrhundert wandelt. Zum Schluss fasst ein Text für leistungsfähige SchülerInnen einige Gedanken über die weltgeschichtliche Bedeutung dieser Wandlung in Europa um 1500 zusammen.
Das erste Kapitel kann und sollte auf jeden Fall durchgespielt werden, wobei die «Umfrage» mehr oder weniger ausgedehnt und vertieft werden kann. Das zweite Kapitel schult die Klasse in der genauen Bildbetrachtung; als Alternative kann auch nur die als Ergänzung gedachte Erzählung des Lebens von Andreas Vesalius vorgetragen werden. Der Überblick im letzten Kapitel kann bei leistungsfähigen Klassen in Eigenarbeit gelesen oder sonst in einem erläuternden Lehrervortrag eingebracht werden.
Kapitel 1: Glauben
Woran glaubst du? Diese persönliche Frage werden die Schülerinnen und Schüler vielleicht nicht gerne spontan beantworten. Indem sie die Antworten einer Passantenumfrage adoptieren, werden sie an die Erkenntnis herangeführt, dass Glaube heute nicht mehr unbedingt mit Religion zusammenhängt.
Kapitel 2: Wissenschaft
Neben oder sogar an die Stelle des Glaubens tritt im 16. Jahrhundert die Wissenschaft: In Gruppen entschlüsseln die Schülerinnen und Schüler je ein Bild von Menschen; sie erkennen im Vergleich im Unterrichtsgespräch, dass die Menschen immer mehr analysiert werden – bis zum Anspruch, dass man Menschen konstruieren kann.
Kapitel 3: Vesalius
Als Illustration der recht abstrakten Zusammenhänge können Sie das Leben von Andreas Vesalius erzählen und mit einigen Abbildungen illustrieren; ferner kann eine (allerdings vielleicht sensiblen Schülerinnen und Schülern unter Umständen nicht zumutbare) Abbildung analysiert werden.
Kapitel 4: Kultur
Wie bei der letzten Themeneinheit werfen wir zum Schluss im Klassenplenum einen Blick über die grösseren Räume und Zeiten: Europa beginnt sich als einzige sesshafte Kultur von der Religion zu lösen und dem Leben im Diesseits zuzuwenden.